Industrialisierung in Weipert

Ahnenforschung ist nicht nur das Sammeln von Namen und Familiendaten, Ahnenforschung befasst sich auch mit den Lebensumständen der jeweiligen Zeit. Die Todesursachen in den Sterbebüchern geben Auskunft über die Lebensumstände. Im Zug der Industrialisierung wuchs die Einwohnerzahl in Weipert von 3950 im Jahre 1860 auf 10667 im Jahre 1939. Die Einwohnerzahlen von Weipert, Schmiedeberg und Böhm. Hammer nahmen stark zu, während viele umliegende Gemeinden schrumpften. Preßnitz schrumpfte von 3470 auf 2468 Einwohner. Das Bild zeigt die dünne Bebauung um 1860. Die Häuser im Hintergrund dürften bereits zu Bärenstein gehört haben. Das nächste Bild zeigt die starke Bebauung rund um den Josefsplatz (späterer Denkmalplatz) vermutlich um 1900.

Es waren aber nicht nur Menschen aus den umliegenden Gemeinden, viele kamen aus weit entfernten Regionen nach Weipert. Sie hofften wohl alle auf einen Arbeitsplatz in der Industrie. Die sozialen Probleme wuchsen, Wohnraum wurde knapp. Die Bevölkerung verarmte, aus Handwerkern wurden unterbezahlte Arbeiter. Als Todesursache erscheint "Marasmus" in den Sterbebüchern. Marasmus ist eine Folge von genereller Unterernährung. Der Mangel an Eiweiß, Fetten und Kohlehydraten führte zum Abbau der Muskelmasse. Diese Krankheit ist für Industrieländer ungewöhnlich und nur in der 3. Welt vorhanden. Die Kindersterblichkeit (unter einem Jahr) stieg auf über 70% an.

Die soziale Schere klaffte weit auseinander, einerseits eine reiche Oberschicht aus Fabrikanten und Hausbesitzern, andererseits unterernährte Menschen, die an Marasmus, Auszehrung, TBC und anderen Armutskrankheiten starben. "Großherzige, großzügige" Spenden der Oberschicht ermöglichten in dieser Zeit den Bau der Neugeschreier Kirche, Andere bauten Gruften im Weiperter Friedhof um sich ein Denkmal zu setzen.

Zur Bekämpfung der Not wurden ab 1895 Naturalverpflegstationen zur Hintanhaltung des Haus- und Straßenbettelns errichtet. 1907 wurde ein Neubau (Haus 406 in der Preßnitzer Str.) für die Naturalverpflegstation und die unentgeltliche Dienst- und Arbeitsvermittlung errichtet. Oberhalb des Krankenhauses wurde 1909 ein Bezirkssiechenhaus errichtet. Krankenhaus und Siechenhaus wurden duch die Gebrüder Pohl errichtet und der Gemeinde zur Verfügung gestellt!

Ein Zeichen der sozialen Unzufriedenheit waren die Wahlergebnisse. Bei den Wahlen 1919 war die "Deutsche sozialdemokratische Arbeiterpartei" mit 2/3 der Stimmen stärkste Partei in Weipert, ihr Stimmenanteil nahm ab, sie wurde in den Folgejahren von der "Kommunistischen Partei" weit überfügelt.

Der Zusammenhalt in den Familien schrumpfte, der Glaube an Gott lies nach, Kirchenaustritte und Ehescheidungen wurden üblich.

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